Endlich Sommer! Und eine Stadt zu den Füßen, die obgleich von schon so vielen entdeckt und erobert nun meiner Erlebnisse harrt. Vom Ölberg schauen wir auf das Goldene Tor, Tempelberg, Davidsstadt, Berg Zion und tiefe Täler. In Ostjerusalem ist vom Shabbat nichts zu spüren, Kinder gehen zur Schule, Läden warten auf Kunden doch große Teile der jüdischen Bevölkerung, ob religiös oder nicht setzen ohnehin kaum einen Schritt in diesen Teil der Stadt. Ein Teil des großen jüdischen Friedhofs ist schon vor Jahren einem Hotel gewichen.
Wir setzen unsere kleine Tour fort zum Augusta-Viktoria-Hospital. Von hier weitet sich der Blick bis in die Wüste und in der Ferne schimmert schon das Tote Meer. Wir treffen uns zum Plausch mit dem deutschen Pfarrer, der von Arbeit und aus dem Leben in Israel plaudert, besuchen die Kirche, in der die selbstgeschnitzte Bundeslade eines Pilgeres Obhut gefunden hat und genießen Melone und ein laues Lüftchen im Café. Der Puls wird langsamer, die Knochen beginnen aufzutauen, Urlaubsgefühlt stellt sich ein.
Weiter geht es mit dem Gang durch die Altstadt. Auf der Via Dolorosa entlang überholen wir singende Pilgergruppen, die mit einem Holzkreuz voran den Kreuzweg entlang schreiten. Dazwischen arabischer Markt, unzählige Kirchen, enge, angenehm kühle Gassen. Ein kurzer Besuch in der Grabeskirche – doch wer Ruhe und Besinnung sucht ist hier fehl am Platze. Kapelle drängt sich an Kapelle, dazwischen drücken sich Menschenmassen möglichst nah an die heiligen Orte, Blitzlichter von Kameras, Polizeiabsperrungen zur Besucherlenkung. Ein wenig beruhigt es mich, dass sich die Protestanten bei dieser Konkurrenz um kultische Orte zurückhalten. In jedem Fall schafft der Raum mehr Bewusstsein für die Zersplitterung der einen Kirche Christi als Gelegenheit zu Erinnerung und Vertiefung der eigenen religiösen Vorstellungen. Ich atme auf als wir wieder ins Freie treten.
Vom österreichischen Hospiz aus werfen wir einen Blick über die Dächer. Mitten im arabischen Viertel tauchen israelische Flaggen auf Häusern auf. Zur Sicherung von Ansprüchen kaufen jüdische Organisationen hier Häuser auf. Die Situation wird damit noch verworrener, jedeR versucht in diesem Land die eigenen Ansprüche auf die Weise zu sichern, die ihm oder ihr möglich ist. Einen Prozess zu gestalten, der allen gleichermaßen gerecht wird, wird damit vermutlich eher weiter verkompliziert.
Doch ganz offenbar will hier jedeR ein Stückchen heiliges Land mit prächtigen Bauten darauf, die großen drei Religionen ebenso wie ihre zahlreichen Konfessionen und jedes Land am Liebsten noch ein prächtiges, repräsentatives Gebäude in den Mauern der uralten Stadt.
Kaum bricht die Dunkelheit herein, erwacht Westjerusalem erneut. Die Läden und unzählige Bars öffnen und geben uns Gelegenheit den Abend beim Glas Wein im Trubel ausklingen zu lassen. Zwei Straßen weiter zieht eine Demonstration für soziale Gerechtigkeit an uns vorbei.