7. Juni – Losfahren

Endlich geht es los! So viele Jahre nur ein Plan, nun wirklich zum Flieger. Reisepass, Auslandskrankenversicherung, lange dünne Sachen, Sonnenbrille, Hute und den Badeanzug nicht vergessen. Namen bei der Botschaft hinterlegt, alle wichtigen Dokumente gescannt und per Mail hinterlegt – keine Ahnung was mich erwartet.

Es geht losNoch halb verschlafen dann zum Interview bei der Fluggesellschaft. Wer ich bin, wohin ich reise, warum, wen ich besuche, woher wir uns kennen, was ich beruflich mache, für wen ich arbeite, wie man mich erreicht, wenn man mich mit etwas beauftragen will, wer meinen Koffer gepackt hat… gut dass ich vorgewarnt war, dass genau das besonders bei einer alleinreisenden Frau passieren kann. Dennoch: Was geht das alles die Fluggesellschaft überhaupt an? Was macht es aus, dass ich weiblich und alleinreisend bin, sehe ich so naiv aus, dass ich mir ein Paket von einem Fremden geben lassen würde? Trotzdem: ruhig blieben, alles vorzeigen: eigene Visitenkarte, Korrespondenz mit dem Freund, den ich besuche, Auslandskrankenschein, Rückreiseticket, ich flechte ein, dass ich ab September auch wieder für den Deutschen Ev. Kirchentag arbeite – immerhin: eine klare Jobperspektive in Deutschland scheint das Interview zu beenden, also weiter mit der Gepäckkontrolle… alles zum ersten Mal aufmachen und durchsuchen… – Im Verlaufe der weiteren Checks wird mein Koffer noch mind. ein weiteres Mal, mein Handgepäck zwei weitere Male durchleuchtet, ich natürlich auch.

Puh, ich habe mich bei einem Flug noch nie so sicher gefühlt – und gleichzeitig so sehr verunsichert, in was für ein Land ich gerade reise, dass all diese Maßnahmen für notwendig hält.

Complicate your life!

WegweiserDieser Text hat einen Grund, einen sehr guten Grund: Er ist für all die Momente, in denen ich an der Komplexität und den vermeintlich unüberschaubaren Möglichkeiten meines Lebens scheitere. In denen all die Fragen, wo und wie und mit wem und mit welcher Arbeit und mit wie viel Arbeit und mit wie viel und was noch dazulernen und mit welcher und wie viel Familie und Freunden ich mein Leben ein bisschen oder ganz viel teilen will – also wenn all das mich erschlägt, weil ich dann gerade keine Kraft habe, all diese Entscheidungen immer und immer wieder treffen zu müssen. Ich werde dann lethargisch und schlecht gelaunt und mag mich selbst nicht leiden. Kennt ihr das?

Dieser Text ist für diese Momente! Denn heute ist es anders:

Heute weigere ich mich noch Entscheidungen zu treffen, zumindest keine großen. (Was ich zum Abendessen möchte und ob und mit wem ich noch weggehen möchte, reicht für heute und für morgen vielleicht auch.)

Aber zweitens und viel wichtiger, ist gerade so ein Moment, in dem ich meinen Reichtum an Möglichkeiten genieße und nicht nur weiß, welches Glück ich mit ihnen habe, sondern im Herzen, im Kopf, in den Beinen und Händen und Füßen fühle wie großartig sie sind, so sehr, dass es kribbelt und hüpft in mir und singt.

Solche Momente möchte ich aufheben, weil es in ihnen so einfach ist: Klar werde ich Irrwege gehen, aber sie müssen nie endgültig sein; klar werde ich nicht immer die beste Entscheidung treffen, aber vielleicht gibt es da draußen ja ganz viele ganz richtige, gute Wege für mich; nein ich werde nicht alles haben können, aber es wird mehr als genug sein!

Ich möchte kein einfacheres Leben. Meines ist kompliziert und wird immer wieder Entscheidungen erfordern und manchmal werden sie mich überfordern. Aber in all den zumeist wunder-baren Möglichkeiten kann ich schwimmen, Richtungen ändern und, mit ein bisschen Glück, sogar fliegen – so wie heute!

Liebeserklärung an Zu Hause(s)

Mit dem Herbst kommen sie, die wunderbar melancholisch-schönen Gedanken und die Sehnsüchte nach Heimat und zu Hause, nach Kamin und seeletragender Musik, nach Kuscheligkeit und Wärme. Doch wo ist mein Zu Hause nach all den zahllosen Umzügen? Wo mein Bett steht? Wo meine Bücher sind? Wo ich meine Mails lesen kann? Wo die Menschen leben, die ich liebe? Wo ich auch ohne Stadtplan meine Lieblingsplätze und Cafes finde? Meine Entdeckung der letzten Tage: All das und das gleichzeitig! Schade, dass es für zu Hause noch keinen Plural gibt und schön, wenn das Leben so überreich ist!

Berlin: Diese mir eigentlich viel zu große, viel zu hektische Stadt – aber darin eine Wohnung, ein licht-durchflutetes Zimmer (mit Büchern und Bett!), die Spree vor der Tür,  ein gefüllter Kühlschrank und wichtiger als dies alles: eine so warmherzige, liebevolle Wohngemeinschaft, dass ich mich jedes Mal freue, durch die Tür einzutreten.

Göttingen: Heute nur auf der Durchreise, ein Blick auf die Silhouetten der vertrauten Kirchen, das ehemalige Büro und immer die Versuchung auszusteigen, wenigstens für einen Kaffee… und drumherum unspektakuläre Hügel, die ich erst zu schätzen weiß, seit ich sie vermisse.

Fulda: Aus dem Zug steigen, in die Herbstsonne treten, immer kälter als dort, wo ich einstieg. Vertraute kurze Wege und freundliches Willkommen alter Kolleginnen und lieber Freunde. Dom und Schlosspark und ein kurzer Blick in meinen ehemaligen Garten, leider sind die Pflaumen schon gepflückt.

Oslo: Der Geruch nach verbranntem Holz aus Kaminen selbst in einer Stadt, kleine Parks, ein wilder Bach wunderbare Cafes und der Singsang der norwegischen Sprache um mich herum. Gern würde ich hier länger bleiben und es wirklich zu Hause werden lassen, aber heute muss ich auf jeden Fall noch an den Fjord für einen weiten Blick, für Fernweh oder Heimweh, ich bin nicht sicher…

Was Frauen so alles haben können…

Es gibt Texte, die mich wütend machen – der SPIEGEL schafft das gerade im neusten Heft und online : Unter dem Titel „Frauen können alles haben – Sie sollten nur viel früher Kinder bekommen“ beschreibt Claudia Voigt Entwicklungen und Debatten rund um die Emanzipation und die Frage des Zeitpunkts für Kinder in modernen Lebensläufen in den letzten Jahrzehnten.

Viele der Beobachtungen sind richtig, viele der Thesen teile ich sogar – die Schlussfolgerungen aber sind desaströs: Denn an Stelle darüber zu reden, wie gesellschaftliche Strukturen, Atmosphäre und Debatten geändert und verbessert werden müssen – läuft dieser Artikel auf das einfache Schema hinaus: Die Frauen können die noch immer bestehenden beruflichen Nachteile (Aktuell dazu z.B die Zeit „Wenn das erste Kind da ist, kippt das System zurück in die traditionellen Strukturen“), die mit dem Kinderbekommen einher gehen, selber lösen, und das auch noch ganz einfach: Indem sie Kinder möglichst früh am Besten bereits im Studium bekommen.  Das ist so, als ob wir Ausländern sagen, sie sollen unsere gesellschaftlichen Rassismus-Probleme doch einfach selber lösen. Liebe Frau Voigt, das konnten Sie definitiv schon besser! (z.B. die Machtfrage aus 2011 à http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76659498.html)

Deshalb ein paar praktische Rückfragen: Glauben Sie wirklich, dass im aktuellen Bachelor-/Master-System die nötige Flexibilität herrscht, so einfach nebenbei noch ein Kind großzuziehen? Was wird dann mit den Anforderungen an die Studierenden mind. einmal die Uni gewechselt zu haben, mind. ein Semester im Ausland zu sein und für einen erfolgreichen Berufseinstieg auch mehrere Praktika absolviert zu haben? Ist Betreuung in KiTas wirklich einfacher, wenn Plätze schlicht fehlen? Was, wenn die so in die Mitverantwortung genommen Großeltern selber noch Vollzeit arbeiten oder schlicht wo ganz anders leben als die Frauen studieren? Und es ist beileibe keine Nebenfrage, wer das in Zeiten von Studiengebühren und ohne eigene Einkommen finanziert, zumal das frühere Erziehungsgeld, dass zwei Jahre gezahlt wurde, mit Überführung in das Elterngeld auf ein Jahr gekürzt wurde!

Aber das vielleicht Entscheidende? Wenn es Frauen (angeblich) schon mit Anfang oder Mitte 30 schwer fällt, Männer zu finden, die bereit zur Familiengründung sind, wo sollen die bitte mit Anfang 20 herkommen? Überhaupt, wo sind die Männer in dem ganzen Artikel (davon abgesehen, dass sie Angst vor kinderhabenwollenden Frauen haben…)

Ah, ich habe ein Argument gegen das Kind im Studium vergessen, das die Autorin selber nennt, den Spaß- und Freiheitsverzicht, der mit Kindern einhergeht… Das mögen ja einzelne so sehen (übrigens in jedem Alter), aber ist doch wohl eher nicht Kern des Problems, sondern angesichts des genannten eine die Tatsachen verkennende Unterstellung an eine ganze Generation!

Umgekehrt: Ja , ich bin dafür, dass wir uns Emanzipation so weit weiterdenken, dass Kinder zu jedem Zeitpunkt im Lebenslauf kein Hindernis für ein erfolgreiches Berufsleben sein dürfen, auch im Studium! Und ich bin eine große Freundin der Idee, dass Frauen und Männer, die Kinder haben möchten, das nicht unbedingt von der großen Liebe und Gewissheit des Partners für ewig abhängig machen müssen. Aber dafür braucht es andere Rahmenbedingungen statt des klugen Tipps an die Frauen, dass sie ihre Misere doch ach so einfach selber lösen können. (Die zitierte Eva Illouz bietet dazu übrigens sehr kluge soziologische Analysen!)

Lasst uns doch mal mit Folgendem anfangen:

  • Kinder sind keine reine Privatsache, sondern gemeinschaftliche, gesellschaftliche Aufgabe, das betrifft Kinderbetreuung, Finanzierung und vor allem öffentliche Debatte und Unterstützung in Medien, Betrieben und hoffentlich auch an Stammtischen!
  • Kindergroßzuziehen ist gemeinsame, gleichberechtigt geteilte Verantwortung und Aufgabe von Frauen und Männern. Damit ist die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf genauso ein Männer- wie ein Frauenproblem. Wenn dieses geteilt würde, würden zugleich viele Diskriminierungen in der Berufswelt aussterben – denn dann wäre die „Gefahr“ für den Arbeitgeber genauso hoch, dass Männer wegen Elternzeit ausfallen, Teilzeit einfordern, pünktlichen Feierabend brauchen, um Kinder von der KiTa abzuholen, spontan wegen Windpocken ausfallen können etc. Und weil das von selbst so schwierig oder langsam geht, lasst uns weiter über die Quote als zwar nicht immer faire, aber funktionierende Abkürzung zu mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt streiten!
  • Wenn wir Kinder zu bekommen nicht mehr von der festen, ewigen Partnerschaft abhängig machen wollen, brauchen wir eine neue Debatte zu Fragen von Beziehungsgeflechten und ihrer Relevanz z.B. für die Wahl von Lebens- und Arbeitsort. Denn wenn Eltern keine feste Einheit mehr bilden müssen, sondern sich trennen dürfen oder ich Kinder nicht mit meinem Ehemann, sondern einem sehr guten Freund bekommen und gemeinsam großziehen möchten, brauchen wir neue Vereinbarungen und Möglichkeiten, wie das in einer Zeit geht, in der die Arbeitswelt und ggf. auch unsere Vorstellungen von Selbstverwirklichung von uns absolute ggf. sogar weltweite Mobilität von beiden Elternteilen erwarten.

Ja, Frauen können alles haben – Männer übrigens auch und besonders leicht dürfte das bei gemeinsamen Engagement statt bestimmt gut gemeinter, aber leider schlechter, weil Verantwortung abschiebender Ratschläge an die Frauen gehen. Die Verantwortung für eine familienfreundliche, gerechtere Gesellschaft liegt bei uns allen!

Wie sich Facebook mein Leben vorstellt

Gerade ist die Empörung wieder verebbt, ob Social Media-Aktivitäten zur Kreditwürdigkeit ausgewertet werden können und nach öffentlichem Aufschrei besteht Hoffnung, dass die Meldeämter unsere Daten doch nicht an die Werbeindustrie verkaufen dürfen. Andere noch viel beunruhigendere Projekte wie das europäische Projekt INDECT, das technische Lösungen entwickelt, wie „auffällige“ Aktivitäten von Menschen im öffentlichen Raum, mit Internetnutzung und weiteren Informationsquellen verknüpft werden können, haben die öffentliche Wahrnehmung dagegen noch kaum erreicht.

Da erscheint Facebook fast harmlos: Ich mag keine Ahnung haben, wo meine Daten bis wann so gespeichert sind und ein Freund der Inhalte von mir zu sorglos teilt, mag all meine Überlegungen, was ich wie öffentlich machen will, schnell zunichte machen. Und kann ja sein, dass Facebook meine Chats mitschneidet oder überprüft, wo ich so alles durchs Internet serve.

Aber @Facebook: Wenn Du das wirklich auswertest, dann liegst Du sehr schief mit Deinem Bild von mir – zumindest so wie Du es mir durch die eingeblendete Werbung widerspiegelst.

Fast immer an höchster Werbeposition bei mir Singles bei Facebook. Nicht dass ich zu meinem Beziehungsstatus bei Dir je was öffentlich gemacht hätte… Sagt Dir liebes Facebook das schon genug? Und Du bietest gleich noch mehr: Meine absolute Lieblingsanzeige Wen wirst du heiraten?. Mal davon abgesehen, dass die meisten meiner Real-Life-FreundInnen schon mal einer Hochzeit von mir beigewohnt haben – Horoskope für eine Theologin ist jetzt nicht ernst gemeint, oder?

Nun gut, frau kann ja mehr als einmal heiraten und deshalb wohl gleich folgende Angebote: High Heels zum Verlieben, Sexy Kleider, Romantische Kleider zur Hochzeit und falls es nicht die eigene sein sollte, Brautjungfernkleider! Ich wusste gar nicht, dass es das in Deutschland gibt!

Besonders schön, aber auch die diversen Tipps á la Diät flachen Bauch – so nehmen sie jede Woche 4 kg ab (da schmerzt mich als Germanistin schon die Grammatik). Und damit ich den Mann meines Lebens wohl trotzdem vorher schon gewinnen kann: Sexy XXL-Dessous. Ach ja und falls ich mit meiner Figur ohne Diättipps schon zufrieden sein sollte, lässt sich das auch per Werbeanzeige ändern Magenknurren und dazu ein Foto mit Burger und Pommes zur Online-Bestellung, oft genug geklickt könnte ich dann sicherlich die Diättipps gut brauchen 😉

Danke Facebook: Die Themen meines Lebens scheinst Du allzu gut zu kennen: Freund finden, heiraten, abnehmen, Kleider und Schuhe und bei allem das Wichtigste: Sexy sein!

Ich schwanke zwischen Beruhigung, wie wenig Du trotz meiner zahlreichen Online-Aktivitäten von mir weißt und Verärgerung, welches Bild von den Interessen einer 31jährigen Frau Du und Deine Werbekunden so haben. Denn um das jetzt mal deutlich zu sagen: Mein Leben und ich glaube dass vieler meiner Freundinnen dreht sich nicht um Schuhe oder die eigene Figur oder die Hochzeit als Angelpunkt des Lebens, sondern um Freundschaft, Liebe und Familie, um politisches Interesse und Engagement, um die eigene Arbeit und das Weiterkommen, um Bücher, Musik und vielleicht auch ne Ausstellung, um Sport, Reisen, neue Erfahrungen und den nachmittäglichen Kaffee an der sommerlichen Spree…

Aber eigentlich schön, dass Du dafür noch keine passenden Anzeigen hast!

Urlaubspostkarten

Ob das allen so geht: Facebook aufmachen und dann diese Timeline mit nur zwei Themen:

1. Schlechtes Wetter und die dazugehörigen Beschwerden über den ausbleibenden Sommer in Deutschland und
2. noch viel schlimmer: Dazwischen die Beweisfotos der Freunde, die es in den Süden, in sonnige Berge, ans tiefblaue Meer geschafft haben. Neuerdings oft nicht nur auf Facebook, sondern gleich noch in eigenen Blogs. (z.B. dieser @Holger: hier gleich Dein Wunschlink 😉 oder mein Lieblingstraumpärchen aus Island www.mahel.org)

Ja, ich tue das auch, alles beides: Ich beschwere mich über das Wetter und mich quält in Urlauben mit WLAN die unbändige Freude, allen Daheimgebliebenen zu zeigen, wie gut es mir geht, wie schön mein Leben ist, wie perfekt. Und ja, ich freue mich über die neidischen Kommentare. (Also gebe ich im Gegenzug auch welche ab, über die sich die Reisenden dann hoffentlich freuen können;-)

Nein, ich verzichte darauf, jetzt zu lästern, dass das alles ja nur schöner Schein ist, es selten jemand (zumindest meiner „Freunde“) auf Facebook wagt, über seine Urlaubsbeziehungskrise, das überteuerte Hotel, den vollen Strand, das Glas Alkohol zu viel am letzten Abend und seine Folgen zu schreiben. Es mag wahr sein, dass die Facebook-Chroniken nur die halbe Wahrheit sind und zwar die freundliche. Doch was spricht eigentlich dagegen, die früheren Urlaubspostkarten waren ja nun wahrlich nicht ehrlicher, oder?

Denn, neben all meinem freundschaftlichen Neid freue ich mich ehrlich mit und beruhigt es mich, zu wissen, dass mir liebe Menschen gerade eine hoffentlich wirklich gute Zeit haben. Auch wenn sie fernab sind, lassen die Bilder mich hoffen, dass diesen Menschen ihre Probleme gerade fern sind, sie durchatmen, aufatmen tief #hachen können.

Und natürlich, von einigen möchte ich viel mehr wissen, will wissen, ob der Urlaub ihnen neue Perspektiven gebracht hat, bin bereit, Scheitern, Frust, Traurigkeit zu teilen. Alles Themen, die in Briefen, Mails, Chats, Telefonaten und vor allem in persönlichen Gesprächen von Angesicht zu Angesicht so viel besser aufgehoben sind.

Aber ganz ehrlich, von manchen reicht mir der unpersönliche Facebook-Urlaubsgruß völlig aus. Und ich – ich räche mich, wenn ich endlich selber unterwegs bin, mit sonnigen Bildern glücklicher Landschaften, perfekter Kühe und gut aussehender Menschen. Versprochen!

Sommernacht

Büroalltag, draußen Sonne; warme, kurze Nächte; chronisch werdender Schlafmangel (Schuld sind die Amseln, die in Berlin lauter und früher singen als irgendwo anders);
Leben – so dicht und warm und so lebenswert.

Und dann diese Momente – ich hoffe, ihr kennt das: Nachts auf dem Rad, alles langsamer, ruhiger, aber weiter pulsierend im Takt der nie ganz schlafenden Stadt, die Musik von eben noch im Ohr.

Und da taucht es auf, überfällt mich, von hinten über die Schulter, singt, kichert, hüpft, ist nicht zu bändigen. Es trällert: „Hier bin ich“ und „Fang mich“ und „Wag es, nicht mich festzuhalten!“
Also antworte ich lächelnd: „Hallo Glücksgefühl – da bist du ja wieder, willkommen!“ und „bleib, so lange du magst!“

Setzt auf die Träume! Weil Pragmatismus für die Weltrettung nicht reichen wird!

Rio+20 läuft noch, doch 20 Jahre nach den Visionen des ersten großen Erdgipfels bleiben wir im Frust der Realitäten gefangen. Die Erwartungen an diese Weltkonferenz waren beschaulich. Manch ein politischer Kopf versuchte daraus, die Hoffnung zu schöpfen, dass so wenigstens kleine Fortschritte als Erfolge und Neuanfänge wirken könnten – quasi als Gegenentwurf zu den hohen Erwartungen an die UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, wo alle so viel erhofften, so wenig herauskam und der Frust sich bis heute tief in die Seelen von KlimaschützerInnen gegraben hat.

Also wurden dieses Mal realistische, niedrige, kleine Hoffnungen und Entwürfe angedacht. Ein bisschen mehr Meeeresschutz, ein bisschen mehr Ansehen für die UNEP (das Umweltprogramm der UN) und ein Konzept der Green Economy, das die Wirtschaft zur Freundin von Umwelt und Entwicklung macht. Nun ist das Abschlussdokument schon vor Beginn der eigentlichen Konferenz quasi beschlossen und enthält noch viel weniger, als das ohnehin gering geplante. Eine Zeitung schrieb, dass die Beschlüsse dieses Gipfels vermutlich nicht die CO2-Emissionen derer auszugleichen vermögen, die zu ihr hinflogen. Das könnte wahr sein. Aber es bleibt zu hoffen, dass die NGO-VertreterInnen zumindest die Gelegenheit zur gegenseitigen Vernetzung gut nutzen und es ihnen gelingt, in allem Frust über die Ergebnisse von heute, die gemeinsamen Träume für morgen wiederzuentdecken.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen sind riesig, sind erschlagend, sind frustrierend: Armut, Hunger, Krankheiten, Klimawandel, sich ausbreitende Wüsten und Naturkatastrophen, leergefischte Meere, gerodete Wälder. Die Liste kann lange fortgesetzt werden. Aber wie wollen wir das überwinden, wenn wir nicht den Mut zum Träumen zurück gewinnen? Woher soll die Kraft für diese Menschheitsherausforderung kommen, wenn nicht aus wilden, überschäumenden, bunten, gemeinsam ausgemalten Visionen von mehr Gerechtigkeit und Gleichheit, guter Bildung, reichen Meeren und Wäldern, sauberer Energie, der Freiheit für Menschen, ihre Leben selber zu gestalten und bei all dem viel Bewusstsein für Freundschaft, Familie, Liebe, Gemeinschaft und das all dieses so viel mehr trägt als unnötiger Konsum.

Lasst uns wieder träumen, alleine, gemeinsam und in allen Sprachen und Bildern – denn nur dann wird diese Herkulesaufgabe realistisch zu meistern sein!